TOUR N°050 ////// 16.12.2011
IMPRESSIONEN IN SITU
ISSS TALK on TOUR N°050
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TOUR N°050 ////// 16.12.2011
L’enregistrement qui suit décrit nos impressions personnelles.
Il n’a pas pour objectif d’être correcte ou complète.
DE
TOUR N°050 ////// 16.12.2011
Der folgende Bericht gibt unsere ganz persönlichen Eindrücke wieder und hat somit weder Anspruch auf Richtigkeit, Vollständigkeit oder politische Korrektheit.
Tour nach Dharavi mit Cheeta, unserem Guide von Realitytours, Nadja, Benni, Nicola und ISSSresearch, eine UrbanExploration zu Fuß.
Nach unserem Treffen mit unserem Guide von Realitytours am Bahnhof Churchgate fahren wir in den Norden der Stadt bis zum Bahnhof Mahim Junction an der Western Railway. Vor hier aus müssen wir nur wenige Meter gehen bevor wir an einen Schienenübergang kommen der uns nach Dharavi führt. Wir haben diesen Übergang bereits bei einer früheren Exploration verwendet, allerdings in die andere Richtung. Dieses Mal erhalten wir auf der Brücke auch eine kurze Einführung zu den Realitytours in Mumbai, der Philosophie des Unternehmens und dazu was mit dem Gewinn gemacht wird. Wir sprechen mit unserem Guide auch kurz darüber wieso diese sogenannte Slumtour angeboten wird. Er erklärt uns, dass es ein Interesse des Unternehmens ist das schlechte Image, welches mit dem Begriff Slum verbunden ist, aufzuhellen und den Menschen die sich dafür interessieren einen realen Einblick in das Leben in Dharavi und dessen Produktivität zu gewähren ohne die Menschen die dort leben zu Schaustücken zu machen und Phototourismus im Slum zu organisieren. Photographieren ist auf der gesamten Tour durch Dharavi verboten. Wir sind alle sehr neugierig darauf was uns unser Guide an diesem Tag zeigen wird und machen uns mit ihm auf den Weg in das Recycling- Viertel Dharavis. Wir verlassen die Hauptstraße sehr bald und begeben uns in immer kleinere Gassen. Immer wieder begegnen uns Menschen die weiße Säcke mit unterschiedlichem Inhalt auf ihrem Kopf balancierend transportieren. Wir machen an mehreren Betrieben der Recyclingindustrie halt und man erklärt uns die unterschiedlichen Recyclingverfahren die hier angewandt werden. Wir erfahren auch mehr über die Arbeitsbedingungen der Menschen, die oft aus dem Norden des Landes zu kommen scheinen und nach Mumbai gekommen sind um hier Arbeit zu finden. Die meisten von ihnen verdienen in etwa hundert indische Rupien am Tag, mit diesem Lohn können sie sich keine Unterkunft in Dharavi leisten, weshalb die meisten an ihrem Arbeitsplatz schlafen. Viele der Arbeitsvorgänge sind mit giftigen Gasen und anderen Gefahren verbunden, aber die Menschen arbeiten ohne Schutzvorkehrungen. In Dharavi werden unterschiedlichste Dinge wiederverwendet, wie zum Beispiel Plastik, welches in mehreren Arbeitsschritten zu Rohplastik- Granulat verarbeitet wird, welches wieder an die Industrie verkauft wird. Ganz Dharavi soll um die sechshundert Millionen US-Dollar pro Jahr erwirtschaften, eine beeindruckende Summe. Wenn man allerdings die Bedingungen sieht unter denen dies möglich wird, relativiert sich der positive erste Eindruck dieses Gewinns rasch und man hinterfragt diese kompromisslose Art und Weise der Wirtschaft wie sie hier stattfindet stark. Als wir durch die unterschiedlichen Gassen gehen müssen wir immer wieder den Arbeitern ausweichen, welche große Säcke auf ihren Köpfen transportieren, allerdings ist das nicht immer einfach, denn manche der Gassen sind kaum breiter als unsere Schultern. Wir werden zwar immer wieder neugierig betrachtet ansonsten nimmt allerdings niemand Anstoß an unserem Hier sein. Unser Guide erklärt uns später auch, dass er uns nur an ihm bekannte Betriebe führen kann, da er die Bedingungen an anderen Orten in Dharavi nicht kennt und uns aus diesem Grund dort nicht hinführt. Er spricht immer wieder mit den Arbeitern unter denen er selbst einige zu kennen scheint. Wir gehen auch davon aus, dass viele der Menschen hier nicht zum ersten Mal eine Gruppe mit Realitytours sehen. Obwohl wir sicher nur sogenannte Vorzeigebetriebe zu sehen bekommen sind die Arbeitsbedingungen der Menschen unglaublich. Sie arbeiten ohne jegliche Sicherheit und oft mit gefährlichen Chemikalien oder Dämpfen. Viele unter ihnen tragen bloß Flip-Flops und wir würden uns nicht wundern hier einen schweren Arbeitsunfall zu Gesicht zu bekommen. Die Menschen haben hier in den Arbeitsräumen und in den Gassen wenig Licht und Luft. Nach einiger Zeit in den engen dunklen Gassen verspüren wir fast schon etwas wie ein Gefühl des eingeengt Seins und wir müssen uns vorstellen wie es den Menschen gehen muss deren gesamter Alltag sich hier abspielt. Neben Plastik werden auch unterschiedliche Metalle recycelt und weiterverarbeitet. Industrie- und Gastronomiegebinde so wie Dosen für Öle oder Farben werden hier von Hand gereinigt. Wir bekommen zwar immer wieder große Maschinen zu sehen und diese zeugen auch von genügend Kapital der Besitzer zu investieren, doch die meiste der Arbeit geschieht hier manuell und von Hand, dies ist die billigste Variante hier für die Betreiber der unterschiedlichen Betriebe. Nach diesem beeindruckenden ebenso wie bedrückenden Eindruck der Industrie in Dharavi begeben wir uns in einen Teil des Viertels der wesentlich stärker als Wohnviertel genutzt wird. Wir müssen eine der großen Straßen überqueren welche Dharavi durchqueren und erst hier fällt uns auf, dass es eigentlich angenehm war in den Gassen zu gehen ohne ständiges Hupen und ohne den Lärm und den Stress der Straße. Wir tauchen schnell wieder in kleine Gassen ein und bekommen hier ein anderes Gesicht Dharavis zu sehen. Hier leben Familien mit ihren Kindern, wir begegnen wesentlich mehr Kindern uns alten Menschen sowie mehr Frauen als im männerdominierten Industrieteil des Stadtviertels. In den Gassen hier wird auch immer wieder mal gekocht und wir begegnen auch vielen geschäftlichen Aktivitäten. Es scheint sich hier aber um kleinere Betriebe zu handeln, wir besuchen einen Schreinbauer, einem Seifenschneider und sehen etliche andere Handwerker. Unser Guide erläutert uns auch einiges über das Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen in Dharavi, über deren Konflikte aber auch über deren Gemeinschaftssinn an anderer Stelle. Immer wieder begegnen wir auch Tieren wie Hühnern und Ziegen in den Gassen. Wir passieren die Hauseingänge der Menschen sehr nahe und immer wieder verlockt eine offene Türe eine Blick hinein zu werfen um eine Eindruck davon zu bekommen wie die Menschen hier leben ohne diesen zu nahe treten zu wollen oder sie gar in ihrer Würde zu verletzten. Als wir beinahe in eine Beerdigungsprozession gelaufen wären müssen wir unseren Weg im Labyrinth der Gassen erneut suchen, da wir kehrt machen müssen. Nach einigem Rechts Links und wieder zurück machen wir bei einem Lederfabrikanten Halt. Dharavi ist bekannt für seine Lederverarbeitungsbetriebe und man erklärt uns wie die Arbeit hier funktioniert. Die Arbeit in der Lederverarbeitung ist besser bezahlt als in der Recyclingindustrie, die Arbeiter erhalten hier hundertfünfzig Rupien pro Stunde. Man bietet uns Ledergeldbörsen an, doch wir haben keinen Bedarf für die nachgemachten Designerstücke. Wir begeben uns also weiter durch das Gewirr der Gassen und Straßen, immer wieder werden diese weiter und geben einen kleinen Platz frei an dem meiste ein Tempel, öffentliche Toilettenanlagen oder andere öffentliche Einrichtungen zu finden sind. Die Menschen nutzen diese Räume auch für Feste, Zeremonien und andere Versammlungen, wir durchqueren etwa die Vorbereitungen zu einer Hochzeit. Unser Guide führt uns auch zu einer Wohnung die Realitytours mieten um Besuchern wie uns das innere eines typischen Hauses zeigen zu können, ohne bei anderen Menschen einzufallen. Straßenarbeiten, Kanalgeruch, ein Problem bei der Beseitigung von Müll und eine enorme Dichte an Menschen auf sehr wenig Raum sind andere Eindrücke während unseres Marsches durch die Gassen und Straßen des Viertels. Wir bekommen auch das Community Center der NGO Reality Gives zu sehen, der die Einkünfte aus den Realitytours zugute kommen und die versucht im Bereich der Bildung ein zusätzliches Angebot für Kinder und Jugendliche zu schaffen, das mit geringen Kosten verbunden ist und den Teilnehmern Englischkurse und eine Basis der Computerbildung sowie andere Kurse anbietet. Dieses Community Center ist für alle Menschen aus Dharavi offen, unabhängig ihrer Religion oder Herkunft. Auf unserem weiteren Weg durchstreifen wir noch das Viertel der Töpferer das wir bereits bei einem früheren Besuch durchquert hatten, doch dieses Mal erfahren wir mehr zur Arbeit der Töpferer und ihrer Herkunft. Nach mehreren Stunden des Wanderns durch die Gassen Dharavis an den Fersen unseres Guides sind wir erschöpft und überwältigt von den vielen und unterschiedlichen Eindrücken die wir hier erlebt haben. Wir beenden diese UrbanExploration im Büro von Realitytours an der 90 Feet Road und begeben uns per Sammeltaxi und Zug wieder in den Süden der Stadt.
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